Leibniz-Projekt-Gruppe „Migration und Bildung in Deutschland seit 1945“

Beschreibung der Projektgruppe

Zu Migration und Bildung wird vor allem aus einer Gegenwartsperspektive geforscht und debattiert. Das im Rahmen des Leibniz-Wettbewerbs der Leibniz-Gemeinschaft (WGL) geförderte Projekt erweiterte die Perspektive, indem es zunächst die Historizität von Gesellschaftsent­würfen, Normen und Werten, die die Debatten um migrationsbedingte Diversität nach 1945 ge­prägt haben, analysierte und sichtbar machte. Zum Zweiten rückte die Heterogenität der Migrant*innen in den Blick, da unter anderem Vertriebene aus den ehemals deutschen Ostgebieten, Überlebende der Shoah, „Gastarbeiter“, Spätaussiedler*innen und Asylsuchende berücksichtigt wurden. Zum Dritten ging es um Handlungsstrategien. In Deutschland, das sich lange Zeit nicht als Einwanderungsland definierte, agierte die Bildungspolitik sehr defensiv auf Migrationsherausforderungen. Sozialen Praktiken an den Schulen kam deshalb große Bedeu­tung zu. Das Projekt verzahnte daher analytisch die „klas­sische“ top-down-Perspektive auf Politik und Staat mit der bottom-up-Per­spektive auf Aushandlungsprozesse vor Ort.

  • Teilprojekte

    Insgesamt gliederte sich die Projektgruppe in vier zeithistorische Teilprojekte: 1) zu Flüchtlingen, Vertriebenen und Umsiedler*innen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und Spätaussiedler*innen aus Mittel- und Osteuropa, 2) zur Migrant*innen-Gruppe aus der Türkei und den von ihr beeinflussten Veränderungsprozessen in deutschen Schulen und Bildungsmedien, 3) zu jüdischen Schulen, Lernenden und Bildungsmedien und 4) zur Netzwerkbildung und Selbstorganisation der iranischen Migrant*innen-Gruppe in der Bundesrepublik Deutschland.


  • Quellen

    Wichti­ger Ausgangspunkt für die Fragestellung zu schulisch thematisierten Welt­sichten und migrati­onsbezogenen Wissensbe­ständen waren Bildungsmedien und Lehrpläne der Fächer Geschichte, Sozialkunde/Politik, Erdkunde und Religion/Ethik (alle Konfessionen) für alle Schultypen der Se­kundarstufe I und II mit regionalem Fokus auf Ham­burg, Baden-Württemberg, Hessen und Mecklen­burg-Vorpommern. Untersucht wurden: 1) Migra­tions­vor­gänge, 2) Wissensbestände zu den in den Teilprojekten untersuchten Migrant*innen­gruppen so­wie 3) didaktische Entwürfe für das Zusam­menleben in einer Migrati­onsgesell­schaft. Der Frage nach der Rezep­tion und Aneignung von Schulbuch­wissen näherte sich das Projekt an, indem historische Quel­len analysiert wurden, die aufzeigen, wie Lernende schulisch thematisierte Welt­sichten und Wissens­bestände verarbeiten. Wichtige Quel­lenbe­stände sind z. B. die Beiträge zum Geschichtswett­bewerb des Bundesprä­sidenten im Ar­chiv der Körber-Stiftung in Ham­burg und Schülerzeitungen, die für die 1950er bis 1970er Jahre zu einem gro­ßen Teil in der Bibli­othek für Bildungs­geschichtliche Forschung (BBF) in Berlin vorhanden sind. Die Vermittlung und Verarbeitung von Weltsichten und Wissensbe­ständen ist von der sozia­len Praxis an den Schulen nicht zu trennen. Hierfür aufschlussreiche Quellenbestände sind: Jahrbücher; Schulchroni­ken; Fachzeitschriften für Lehrkräfte und Bildungspoliti­ker*innen; Über­lieferungen von Schulen, von Schul­behörden und der Kul­tusministerkonfe­renz; autobiographische Erinnerungen von Lehrkräften und Lernenden, sowie Oral History-Interviews, vornehm­lich mit Mig­rant*innen. Dabei fanden gerade auch jene Quellen besondere Berücksichtigung, die die in der Zeitgeschichtsschreibung noch wenig beachtete Perspektive der Migran­t*innen zum Vorschein bringen.


  • Ergebnisse

    Das Projekt hat zwei Monographien hervorgebracht: eine Habilitation und eine Dis­sertation. Die Projektergebnisse wurden darüber hinaus in Beiträgen für anerkannte Fachzeitschriften sowie durch jährliche Workshops und eine Abschlusskonferenz in der wis­sen­schaftlichen Öffentlichkeit diskutiert. Ein wichtiger Be­standteil des Projekts war die Er­schlie­ßung neuer Quellen.

    Abschlusstagung am 2. und 3. Mai 2018

    Die Leibniz-Projekt-Gruppe „Migration und Bildung in Deutschland seit 1945" veranstaltete in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte der TU Dresden und dem German Historical Institute Washington, D.C. am 2. und 3. Mai 2018 in der Bundeszentrale für politische Bildung in Berlin die Tagung„Dynamiken des Wissens. Historische Perspektiven auf das Verhältnis von Wissen und Migration vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart".

    Frühere Tagungen

    Am 19. und 20. Mai 2016 fand am Georg-Eckert-Institut die erste Tagung der Leibniz-Projekt-Gruppe statt.

    Vorträge (in Auswahl)

    • Zloch, Stephanie: Wissenspraktiken zwischen Konflikt und Pluralisierung. Migration und Bildung in Deutschland in den 1970er und 1980er Jahren; Forschungskolloquium zur Neuesten Geschichte und Zeitgeschichte, TU Dresden, 8. 1. 2018.
    • Zloch, Stephanie: The Role of Migration Processes in the Self-Positioning of Eastern European Societies; Leibniz Science Campus Eastern Europe – Global Area, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde, Leipzig, 7. 11. 2017.
    • Zloch, Stephanie: The Production of Knowledge and Children’s Agency in Migration Processes in Germany after 1945; German Studies Association’s (GSA) Conference, Atlanta, Georgia/USA, 7. 10. 2017.
    • Springborn, Matthias: Organizing Education and Knowledge in the DP Camps and the Newly Formed Jewish Communities of Germany; German Studies Association's (GSA) Conference, Atlanta, Georgia/USA, 7. 10. 2017.
    • Yorulmaz, Engin Deniz: Die MigrantInnen-Gruppe aus der Türkei und die von ihr beeinflussten Veränderungsprozesse in deutschen Schulen und Bildungsmedien ab 1945; Offene Studentische Tagung, Strangers in a Strange Land, Universität Freiburg, 17.-19.06.16.
    • Zloch, Stephanie: "Flüchtlingskinder" und "Ausländerkinder" in Hamburger Schulen seit 1945; Vorlesungsreihe "Migration in Hamburg. Flucht und Exil von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart", Universität Hamburg, 9. 5. 2016.
    • Zloch, Stephanie: Migration und Bildung in Deutschland seit 1945. Wissen, Weltsichten und Erfahrungen mit besonderer Berücksichtigung der Migranten und Migrantinnen aus Mittel- und Osteuropa; Interdisziplinäres Kolloquium Kulturwissenschaften, Universität Leipzig, 7. 6. 2016.

    Publikationen


Projektteam

  • Dr. Stephanie Zloch
  • Matthias Springborn
  • Engin Deniz Yorulmaz
  • Cornelia Hagemann
  • Luisa Bläse
  • Angie Slotta
  • Katrin Germey
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