Queeres Leben. Queer Diversity und Heteronormativität in Schulbüchern

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsprojekt Queeres Leben widmet sich einer systematischen Querschnittsanalyse zur Einbeziehung queerer Diversität und zur Darstellung von und Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Heteronormativität in Schulbüchern, ergänzenden Unterrichtsmaterialien und Lehrplänen und adressiert damit ein aktuelles Desiderat in der Bildungsmedienforschung.

Die aktuelle Schulbuch- und Bildungsmedienforschung zum Thema ist durch deskriptive quantitative und qualitative Studien zur fehlenden bzw. defizitären Repräsentation von LGTBQIA* in Bildungsmedien geprägt. Diese könnten als Ausgangspunkt für eine inklusive didaktische Konzeption von Unterricht, Bildungsmedien und weiteren Lehrmaterialien mit einer angemessenen Berücksichtigung von Perspektiven der LGTBQIA* sowie der kritischen Reflexion gesellschaftlicher Machtverhältnisse im Zeichen von Heteronormativität dienen, was aber noch nicht ausreichend geschieht. Die bisherigen Forschungsergebnisse des Leibniz-Instituts für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut (GEI) zeigten bereits erste vielversprechende Ansätze der Thematisierung von Queer Diversity. Darin wird die Bereitschaft deutlich, das Thema aufzugreifen, verbunden mit einem Beratungsbedarf auf Seiten der Bildungsmedienverlage.

Ein besonderes Desiderat, dem sich das Projekt widmet, bilden Analysen zur hegemonialen gesellschaftlichen Heteronormativität und zur Einbeziehung queerer Diversität in Schulbüchern und Lehrplänen, z.B. in der Darstellung von Familie, Partnerschaft, Sexualität, zwischenmenschlichen Beziehungen und gesellschaftlichem Zusammenleben insgesamt.

  • Ziele

    Das Projekt zielt auf die Untersuchung von geschlechtlicher Diversität und gesellschaftlicher Heteronormativität in Schulbüchern, ergänzenden Unterrichtsmaterialien und Lehrplänen ab und adressiert damit ein aktuelles Desiderat in der Bildungsmedienforschung. Erstens richtet sich die Analyse dazu auf die Repräsentation von LGTBQIA+* und queerer Diversität bzw. deren Auslassung, zweitens auf die (implizite) Heteronormativität bzw. deren kritischer Reflexion in den Darstellungen von Familie, Partnerschaft, Sexualität, zwischenmenschlichen Beziehungen und des gesellschaftlichen Zusammenlebens von Menschen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und drittens auf die Thematisierung von und die Auseinandersetzung mit Diskriminierung. Schließlich erfolgt viertens die Übersetzung dieser Perspektiven in didaktische Konzeptionen für Unterricht, Bildungsmedien und weitere Lehrmaterialien im Hinblick auf Queer Diversity als Querschnittsthema.

    Das Vorhaben fokussiert darüber hinaus insbesondere die Untersuchung von:

    • Adressierungen und Aufgabenstellungen im Hinblick auf Inklusion oder Exklusion von Queer Personen,
    • Darstellungen gesetzlicher Regelungen und deren Veränderungen sowie gesellschaftlichen Wandel von Familienbildern,
    • Thematisierungen von Diskriminierung und Bedrohung und
    • intersektionale Perspektiven auf LGTBQIA+*.

  • Vorgehensweise

    Das Projekt umfasst zwei ineinandergreifende Teilstudien. Zum einen erfolgt eine Digital Humanities-gestützte quantitative Bestandsaufnahme und Inhaltsanalyse der Lehrpläne für die Fächergruppen Politik/Sozialkunde (inklusive fächerübergreifenden Unterrichts für Gesellschaftskunde) und Religion/Werteerziehung (inklusive Ethik) für die Sekundarstufe I in allgemeinbildenden Schulen aller Bundesländer zu LGTBQIA+* sowie binären und heteronormativen Genderstereotypen. Auf der Basis dieser Lehrplananalyse wird eine digital gestützte quantitative Inhaltsanalyse und qualitative Diskursanalyse der Schulbücher und von Stichproben für ergänzende Unterrichtsmaterialien für die für die genannten Fächer und Schultypen durchgeführt. Darüber hinaus wird eine stichprobenhafte Auswahl von Lehrwerken für das Fach Deutsch in der Grundschule (Primarstufe) aus mindestens vier Bundesländern in einer qualitativen Diskursanalyse untersucht.

    Zum anderen unternimmt das Projektteam 10 Fokusgruppeninterviews mit Vertreter*innen aus LGBTQIA*-Selbstorganisationen sowie Religionsgemeinschaften und mit Lehrenden und Lernenden in den genannten Fächern und Schultypen mit jeweils 5–8 Teilnehmenden.

    Ergänzend zu den zwei Teilstudien erfolgt die Digitalisierung, digitale Aufbereitung und Erschließung des Samples zur Digital Humanities-gestützten Analyse.


  • Ergebnisse

    Das Projekt erzeugt neue, auch transferorientiert verwertbare Forschungsergebnisse in Bezug auf Bildung zu Familienkonzepten und sexueller Identität im schulischen Kontext. Im Ergebnis entstehen als Zusammenfassung der Analysen wissenschaftliche Veröffentlichungen sowie eine Kurzdarstellung für Bildungspolitik und Bildungspraxis. Die Befunde werden zudem in Veranstaltungen des BMBF der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie können zukünftig als wissenschaftlich fundierter Orientierungsrahmen für Bildungspolitik und Bildungspraxis genutzt werden.

    Zudem können die Forschungsergebnisse in vom GEI sowie seinen Partnern (etwa Lehrerfortbildungsinstituten auf Landesebene) veranstalteten Lehrkräftefortbildungen sowie in transferorientierten Vernetzungsaktivitäten des Institutes, etwa mit thematisch einschlägigen Multiplikator*innen und Initiativen und Bildungsmedienverlagen, einfließen. Darüber hinaus sollen Ergebnisse für die Erstellung von themenspezifischen Unterrichtsmaterialien genutzt werden, die im Rahmen der vom GEI betriebenen Online-Plattform „Zwischentöne“, Lehrkräften kostenlos verfügbar gemacht werden.

    Die Ergebnisse des Projekts werden in die Bildungs- und Bildungsmedienpraxis transferiert. Für den Transfer und die Wissenschaftspraxiskooperation im Bereich der Bildungsmedienforschung hat sich das drei Ebenen-Modell des GEI bewährt – die (i) Lehr- und Lernmaterialien-Entwicklung, (ii) Beratung von Bildungsmedienverlagen sowie (iii) Fortbildungen für Lehrkräfte, Autor*innen und Schulbuchredaktionen. Die Kooperation erfolgt dabei partizipativ mit Akteur*innen aus Selbstorganisationen und der Bildungs(medien)praxis sowie der Geschlechterforschung.


Projektteam

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