Europäische Identität

Europäische Identität als authentische Erfahrung? Sprachliche Manifestationen einer nichtkategorialen Semantik für Europa an Material deutscher und polnischer Schulbücher für Geschichte und Geographie

Im Rahmen einer Anschubfinanzierung durch die Leibniz-Gemeinschaft sollte ein Drittmittel-Projektantrag erstellt werden, der auf folgendem Design beruhte: Im Projekt werden an dem Material deutscher und polnischer Geschichts- und Geographiebücher diskursive Bezugnahmen auf Europa untersucht mit dem Ziel, die Umrisse einer nichtkategorialen europäischen Semantik sichtbar zu machen, von der angenommen wird, dass sie das Gerüst einer neuartigen flexibel-modernen europäischen Identitätsbildung darstellt.

Es wird postuliert, dass während im Mittelpunkt der nationalen Semantik die Mitgliedschaft in einer (vorgestellten) Gemeinschaft und folglich Kategorisierungsphänomene nach dem wir-sie-Schema stehen, die zeitgenössische europäische Semantik andere Muster aufweisen muss. Unter den Bedingungen der Globalisierung wird die Konstruktion und Aufrechterhaltung von Großgruppen erschwert. Die Pluralität eigener sozialer Zugehörigkeiten wird immer intensiver erfahren bis hin zur Verschiebung der Aufmerksamkeit von der Zugehörigkeit auf die Befindlichkeit des Selbst während des ständigen Wechsels und der permanent ablaufenden Übersetzungsprozesse. Es ist davon auszugehen, dass solche diskursiven Phänomene wie eine polyzentrische Glie­derung der sozialen Wirklichkeit, Grenzverwischungen bzw. -über­schreitungen, Kreuzkategorisierung, Konstruktion der sozialen Wirklichkeit als dynamisch und veränderbar, Subjekt- statt Gruppenzentrierung, Perspektivenwechsel bzw. Multiperspektivität die Eckpfeiler einer nichtkategorialen Semantik ausmachen, in der sich die zeitgenössische Europäische Identität begründet.

Anknüpfend an die Fragestellungen des Leibniz-Forschungsverbundes „Historische Authentizität“ wird ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet, inwiefern die flexibel-modernen Konstruktionen der Subjekte im europäischen Kontext als „authentisch“ markiert daherkommen. „Authentizität“ wird in einer ersten Begriffseingrenzung als Einbettung in die lebensweltlichen Erfahrungshorizonte der Subjekte verstanden. In diesem Sinne könnte die Enthaltsamkeit bzgl. eines europäischen „wir“ dahin gedeutet werden, dass es sich mit „Europa“ um ein Identitätsprojekt handelt, welches dem Individuum, verglichen mit der „Nation“, mehr Autonomie zubilligt beim Erleben seiner/ihrer sozialen Verankerung.

  • Forschungsanträge
    • Volkswagen-Stiftung, Teilprojekt des Projekts: The Semantics of Crisis: Europe and the European Self in German, French, Spanish, Polish and Ukrainian Educational and Political Discourses; Projektentwurf eingereicht am 16.10.2017 (ein Projektverbund von GEI, Universität Rzeszów, Polen, und Schwarz-Meer-Universität Mykolajiv, Ukraine).
    • Deutsche Forschungsgemeinschaft: Europäische Identität als authentische Erfahrung? Manifestationen einer nicht kategorialen Diskurssemantik für Europa an Material deutscher und polnischer Schulbücher; eingereicht am 15.11.2016.

  • Vorträge
    • Telus, M.: "Europa! Erhebe dich von den Knien!" Osteuropäische Europakonzepte im gesamteuropäischen Kontext. Marbacher Forum Zeitgeschichte, Vortragsreihe "Europa - wohin", 15.3.2018.
    • Telus, M.: Dyskursywne sposoby konstrucji tożsamości rozmytych. Zarys projektu badawczego na materiale tożsamości europejskiej w podręcznikach szkolnych, Podlesice, 25.4.2017, Uniwersytet Wrocławski.
    • Telus, M.: Vom Schulbuch zum Weltbild: Transnationale Geschichtsschreibung und die Internationalisierung des Denkens, Ludwigshafen, 9.2.2017, Veranstalter: Evangelische Akademie der Pfalz.
    • Telus, M.: National Constructs of Identity versus Images of Europe in Textbooks: Ruptures, Continuities and Change, Kiev, 26.11.2016, Veranstalter: GEI, Nova Doba.

  • Lehrveranstaltungen
    • Telus, M.: Europäische Krise aus Sicht polnischer Rechtspopulisten. 19.11.2018, Ringvorlesung „Europa in der Krise“ an der Universität des Saarlandes (Master Europäische Kulturstudien) – WiSe 2018/19.
    • Telus, M.: Zwei Semantiken, zwei Subjektmodelle. 4.12.2017, Universität des Saarlandes, Ringvorlesung (Master Europäische Kulturstudien) – WiSe 2017/18.

  • Veröffentlichungen
    • Telus, M.: Telus: Dyskursywne sposoby konstrukcji tożsamości rozmytych. Zarys projektu badawczego na materiale tożsamości europejskiej w podręcznikach szkolnych. In: Grech, Michał u. a. (eds.): Badanie komunikacji. Vol. 1. Kraków: Libron, 2018, S. 71-95.
    • Europa als „Wir” und „Nicht-Wir“. Zum Europabild der polnischen Nationalkonservativen.
    • In: Polen-Analysen, 228 (18.12.2018), www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen228.pdf.
    • Telus, M.: Nation ‒ Europa: Zwei Semantiken, zwei Subjektmodelle. Oder lieber drei? In: Wenz, Georg u. Klaus Kufeld (eds.) 2017: Die neuen Wirren des Nationalismus ‒ Zwischen Agonie und Auftrieb. Landau: Evangelische Akademie der Pfalz, S. 53-81.
    • Telus, M.: The Nation and Europe: Semantics and Subject Models. In: Polina Verbytska, Robert Maier (Eds.). Images of Europe in Transition. Textbook Representations in Post‐Soviet Space. Eckert. Dossiers 16 (2017), 140-156; repository.gei.de/handle/11428/237.
    • Telus, M.: Das deutsch-polnische Geschichtsbuch: Über den Vorteil des Dialogischen. In: M. Klüh, R. Marti (Hrsg.), Ost-westlicher Dialog ‒ Dialog Wschodu i Zachodu (= Saravi pontes 5); Paralleldruck: Kulska, Joanna (ed.): Oblicza pojednania. Faces od reconciliation. (S. 111-125). Opole: Wydawnictwo Uniwersytetu Opolskiego, 2016.

Projektteam

  • Rober Maier | Projektleitung
  • Dr. Magdalena Telus | Projektbearbeiterin
  • Weitere Projektinformationen

    Vernetzung

    • Leibniz-Forschungsverbund „Historische Authentizität“, Themenlinie 1 „Authenti­zität in ideen- und begriffsgeschichtlicher Perspektive“

    Projektlaufzeit

    • Januar 2016-Oktober 2016

    Projektförderung

    • Leibniz-Gemeinschaft

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