Mitteilung

„Netzwerke der Kulturdiplomatie“ – Romain Faure schließt Promotion am GEI ab

Faures Dissertation liefert zum ersten Mal eine systematische Untersuchung der internationalen Schulbuchrevision in Ost- und Westeuropa von 1945-1989. In den sogenannten Schulbuchgesprächen kamen Wissenschaftler, Politiker und Lehrer verschiedener Länder zusammen, um die Lehrwerke beider Seiten auf Fehler, Ressentiments, und Stereotype hin zu untersuchen und Empfehlungen für die Praxis abzugeben. Bis in die 1960er Jahre standen die Schulbuchgespräche mit Akteuren aus zumeist westeuropäischen Ländern im Zeichen bilateraler Versöhnung und Integration.

Dies änderte sich ab 1966 – hier begannen sich Gespräche zwischen ost- und westeuropäischen Ländern zu entwickeln. Gleichzeitig nahmen die Gespräche über Schulbücher unter den westeuropäischen Ländern schlagartig ab. Im Gegensatz dazu entwickelte sich der Dialog innerhalb der osteuropäischen Länder im Zuge der sogenannten Brežnev-Doktrin. Entscheidend für diese Entwicklung war die „Détente“ zwischen den beiden Blöcken.

Die Verschärfung des Ost-West-Konflikts in den 1980er Jahren führt dazu, dass der Austausch zwischen West- und Osteuropa erneut zurückgeht. Dahingegen erwacht der bildungspolitische Dialog zwischen den westeuropäischen Ländern zu neuem Leben. In der Entwicklung der Schulbuchrevision spiegelt sich so nicht zuletzt die wechselvolle Geschichte Europas zwischen 1945 bis zum Ende der Sowjetunion. Grundlage der Analyse Faures bildete eine Datenbank, die er während seiner Promotion aufgebaut hatte.

Aufbauend auf einer quantitativen Netzwerkanalyse ging Faure außerdem der Frage nach, ob und inwiefern die verschiedenen Schulbuchgespräche einander beeinflussten. Schon früh zeigte sich, dass die Revisionserfahrungen breit zirkulierten, nicht zuletzt deshalb, da oft dieselben Personen an unterschiedlichen Projekten beteiligt waren. In der Arbeit zeigt Faure, dass die westeuropäischen Schulbuchgespräche der 1950er und 1960er Jahre sich ähnelten bzw. methodisch annäherten. Tonangebend waren in diesem Zeitraum besonders die französisch-westdeutsche Schulbuchkommission und die Aktivitäten der skandinavischen Norden-Vereine. Dahingegen konnten sich die osteuropäischen Revisionsakteure in den 1960er Jahren auf keinen gemeinsamen, sozialistischen Weg der Revision verständigen. Sie verfolgten im Schulbuchdialog gegensätzliche Ziele und waren darüber hinaus durch ihre divergierende Rezeption der westeuropäischen Revisionstradition zutiefst gespalten. Am Beispiel der Schulbuchrevision beleuchtet die Dissertation somit Prozesse der transnationalen Normierung kulturdiplomatischer Unternehmungen, weist aber auch auf wesentliche Grenzen dieser Normierung hin.

Die Disputation fand in Braunschweig statt. Mitglieder der Kommission waren neben den beiden Betreuern Eckhardt Fuchs (TU Braunschweig/GEI) und Corine Defrance (CNRS – Paris-1) Jean-Paul Cahn, Robert Frank (beide Paris), Matthias Middell (Leipzig) und Iris Schröder (Erfurt).

Die Promotion führte Faure im Rahmen einer deutsch-französischen Doppelbetreuung an der Technischen Universität Braunschweig und an der Université Paris-1 Panthéon-Sorbonne durch. Sie wurde von dem Swedish Research Council, dem Das Georg-Eckert-Institut – Leibniz Institut für internationale Schulbuchforschung, der FAZIT-Stiftung, des Institut français d’histoire en Allemagne und der Deutsch-Französischen Hochschule gefördert.


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