Medienecho

Was lernen Kinder weltweit über den Holocaust?

Das Braunschweiger Georg-Eckert-Institut untersucht, wie der Völkermord durch die Nationalsozialisten in Schulbüchern dargestellt wird

Sechs Millionen Juden haben die Nationalsozialisten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges systematisch ermordet. Dieser Völkermord war so grausam, so unfassbar, dass alle Schüler weltweit darüber etwas lernen müssen, findet die Unesco – die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Doch ob und wie der Holocaust in den rund 200 Staaten der Welt unterrichtet wird, weiß bislang niemand.

Finanziert durch Israel, die USA und Frankreich hat die Unesco deshalb vor wenigen Wochen ein Projekt gestartet, um diese Frage beantworten zu können. Partner ist das Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung in Braunschweig. Das ehrgeizige Ziel: Bis Ende nächsten Jahres wollen die Wissenschaftler die Lehrpläne möglichst aller Staaten überprüfen. Dies soll zeigen, in welchem Umfang und in welchem Kontext der Holocaust im Unterricht verankert ist. Zusätzlich sollen Schulbücher aus 20 Ländern analysiert und verglichen werden. Hierbei geht es um die Frage, ob der Holocaust differenziert, vollständig und unverfälscht dargestellt wird. Weil die Tiefenanalyse die unterschiedliche Betroffenheit berücksichtigen soll, werden die 20 Länder aus mehreren Kategorien ausgewählt: zum Beispiel Länder, die den Holocaust erfahren haben wie Polen; Länder mit einem direkten Bezug wie Israel und Deutschland; sowie Länder, die mit dem Holocaust überhaupt nichts zu tun hatten.

„Diese Studie ist so aufwendig und umfangreich wie keine andere, die wir bisher durchgeführt haben“, sagt Professor Eckhardt Fuchs, stellvertretender Institutsleiter. „Wir können den Aufwand aber bewältigen, weil wir in sehr vielen Ländern Partner haben, die uns unterstützen, vor allem Schulbuchforscher und Historiker.“

Das Team des Georg-Eckert-Instituts unter der Leitung des Holocaust-Forschers Peter Carrier hat die Arbeit an der Studie bereits aufgenommen. Die größte Herausforderung sehen die Wissenschaftler darin, auch aus jenen Ländern Informationen zu bekommen, die ihre Lehrpläne als Staatsgeheimnis betrachten und für gewöhnlich nicht veröffentlichen – das betrifft vor allem Diktaturen.

Am Ende soll die Studie nicht nur eine Bestandsaufnahme sein, sondern auch Grundlegendes aufzeigen: Wie kann man Schülern den Holocaust informativ darstellen? In welches Fach lässt er sich am besten integrieren? Welches Alter ist geeignet? „Wir mischen uns aber nicht ein, denn wir sind kein didaktisches Institut“, sagt Fuchs. „Es handelt sich nur um Empfehlungen.“

Darüber hinaus geht es vor allem um Völkerverständigung, denn Schulbücher haben eine große Macht: Wenn sie manipuliert sind, können sie in den Köpfen junger Menschen Hass säen und ethnische, kulturelle, religiöse oder politische Konflikte anfachen. Im besten Fall dienen sie aber der Aufklärung und der Konfliktbewältigung – dann lassen sie Schüler stark werden.

  • Braunschweiger Zeitung, 03.09.2012

sroll-to-top