Religiös begründete Vorurteile gegenüber Jüdinnen, Juden und dem Judentum im Schulbuch und im Unterricht

Teilprojekt im Verbundprojekt „Christliche Signaturen des zeitgenössischen Antisemitismus – Forschung, Analyse, Vermittlung“ (ChriSzA)

Das Verbundvorhaben widmet sich der Identifizierung und wissenschaftlichen Analyse religiös-christlicher Elemente des Antisemitismus in seinen historischen und gegenwärtigen Erscheinungsformen und leistet mittels eines breit angelegten Transferkonzepts einen wichtigen Beitrag zur Vermittlung der Forschungsergebnisse in Wissenschaft, Schule und Erwachsenenbildung. Die Verbundpartner*innen gehen von einem innovativen theoretischen Ansatz aus, der hergebrachte kategoriale Trennungen in der Antisemitismusforschung hinterfragt und eine fortwährende Gemengelage von „modernen“ (rassistisch hergeleiteten) und „traditionellen“ (christlich-theologisch begründeten) antijüdischen Vorurteilen konstatiert. In drei aufeinander abgestimmten Teilprojekten der historischen Grundlagen- und Bildungsmedienforschung werden die Entstehung dieses hybriden Antisemitismus und sein Fortwirken bis in die Gegenwart untersucht. Als breit aufgestelltem Forschungs- und Praxisverbund bieten sich den Verbundpartner*innen vielfältige Möglichkeiten des Transfers in die schulische und außerschulische Bildungspraxis.

Teilprojekt 1 (FU Berlin/Selma-Stern-Zentrum) betrachtet für das 19. Jahrhundert die wechselseitige Durchdringung theologischer und antisemitischer Diskurse und ihre Popularisierung und Vulgarisierung in Predigten, Traktaten und Frömmigkeitspraktiken. Leitung: Prof. Dr. Rainer Kampling/Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum; Projektbearbeiter: Dr. Philipp Schlögl

Teilprojekt 2 (FU Berlin/Selma-Stern-Zentrum) setzt sich mit antijüdischen Traditionen in der kirchlichen Bildungsarbeit nach dem Holocaust in beiden deutschen Staaten auseinander. Leitung: Prof. Dr. Rainer Kampling/Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum; Projektbearbeiterin: Sara Han, M.A.

Teilprojekt 3 (Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut (GEI)) geht christlich-theologisch hergeleiteten Stereotypen von Jüdinnen, Juden und Judentum in aktuell zugelassenen Religions- und Ethikschulbüchern sowie in der Unterrichtspraxis auf den Grund. Leitung: Prof. Dr. Eckhardt Fuchs/Dr. Dirk Sadowski; Projektbearbeitung: Christine Chiriac.

Teilprojekt 4 (Evangelische Akademien in Deutschland e.V.) sorgt für die gesellschaftliche Vermittlung der Forschungsergebnisse mittels reziprok-dialogischer Fortbildungsangebote, praxisbezogener Workshops und wissenschaftlicher Tagungen. Leitung: Dr. habil. Klaus Holz/Dr. Christian Staffa; Koordination: Viola Beckmann, M.A.

Zum Teilprojekt am GEI

  • Ziele

    Das am GEI angesiedelte Teilprojekt greift die theologischen und historischen Fragestellungen der beiden anderen Teilprojekte auf, ergänzt sie durch diejenigen der pädagogischen und Schulbuchforschung und versucht, bis heute nachwirkende Signaturen christlicher Judenfeindschaft im Bereich von Schule und Erziehung aufzuspüren. Konkret werden die Darstellung des Judentums in aktuell zugelassenen Schulbüchern für den konfessionellen Religionsunterricht sowie für den Ethikunterricht und die damit verbundenen Unterrichtspraktiken untersucht. Schulbücher für den katholischen und evangelischen Religionsunterricht wie auch Ethiklehrbücher enthalten nicht nur mehr oder weniger instruktive Kapitel zu den Grundlagen der jüdischen Religion und zur jüdischen Religionspraxis, sondern auch zu anderen relevanten Themen wie Holocaust, Israel oder diasporisches Judentum heute. Es soll danach gefragt werden, wie eine differente und doch dem eigenen Glauben verwandte Religion und die darauf gegründete Kultur in diesen Schulbüchern gezeichnet werden und inwieweit christlich-theologisch begründete Vorurteile gegenüber dem Judentum sich in dessen Darstellung niederschlagen. Darf bei den Lehrmitteln für den konfessionellen Glaubensunterricht eine genuin religiös-dogmatische Motivation bei der Darstellung angenommen werden, so verspricht die Untersuchung von Ethikschulbüchern Einblicke dahingehend, wie religiös begründete Vorurteile gegenüber dem Judentum in einem nicht auf Glaubensvermittlung angelegten Werteunterricht zum Ausdruck kommen, mithin säkularisiert werden.


  • Vorgehensweise

    Zunächst sollen Schulbücher für den konfessionellen christlichen Religionsunterricht und für das Fach Ethik/Praktische Philosophie auf Darstellungen des Judentums untersucht werden. In einem zweiten Projektschritt werden Unterrichtsbeobachtungen und Interviews mit Lehrkräften einen Einblick in die Vermittlungspraxis und die Rezeption entsprechender Inhalte ermöglichen. Das konkrete Unterrichtsgeschehen in diesem Zusammenhang ist bisher weder in der pädagogischen, noch in der Antisemitismus- bzw. Vorurteilsforschung ausreichend thematisiert worden. Daher können hinsichtlich der Wirkungsweise von Schulbuchdarstellungen von Jüdinnen, Juden und Judentum auf Schüler*innen bisher nur Mutmaßungen angestellt werden. Dieser Projektschritt soll somit auch neue Erkenntnisse und Empfehlungen im Hinblick auf die Präventionsarbeit im schulischen Bereich generieren und diese in Fortbildungen und Tagungen einbringen.


  • Ergebnisse

    Im Juni 2022 hielt Dr. Dirk Sadowski im Rahmen der Tagung "Christliche Signatur im zeitgenössischen Antisemitismus. Transformationen und Kontinuitäten" in der Ev. Bildungsstätte auf Schwanenwerder einen Vortrag zum Forschungsgegenstand des Projekts.

    Erste Ergebnisse wurden bei einem im Rahmen der Sommerakademie 2022 des Forschungsnetzwerks Antisemitismus im 21. Jahrhundert (FoNA21) durchgeführten Workshop in Berlin präsentiert.

    Im November 2022 fand ein zweitägiger Workshop des Verbundprojekts in Hofgeismar zum Thema „Die Darstellung von Juden und Judentum in Schulbüchern für den Religions-, Ethik- und Geschichtsunterricht“ statt. Im Fokus stand der Austausch insbesondere zu religionsdidaktischen Fragen sowie zu Perspektiven der Bildungsmedienproduzent*innen auf das Forschungsthema des Teilprojekts am GEI. Dies diente einer weiteren Fokussierung des Forschungsdesigns.

    Im Juni 2023 hielt Christine Chiriac einen Vortrag zum Forschungsdesign des Teilprojekts sowie zu ersten Ergebnissen der Lehrplan- und Schulbuchanalyse im Rahmen der Ringvorlesung "Judentum und religiöse Vielfalt im Religionsunterricht. Religiöse Differenzen – interreligiöse Kompetenzen" an der Universität Hamburg.

    Die Ergebnisse dieses Teilprojekts werden in Form einer wissenschaftlichen Monographie veröffentlicht; darüber hinaus sind Empfehlungen für Schulbuchinhalte und Unterrichtspraxis vorgesehen.


Projektteam

sroll-to-top